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SPK-Präsident Hermann Parzinger spricht im Interview mit der Berliner Morgenpost über das Fortschreiten der Strukturreform und die Zukunft der Stiftung.

Hermann Parzinger © SPK/Herlinde Koelbl

Herr Parzinger, im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP heißt es: „Wir setzen den Reformprozess der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gemeinsam mit den Ländern fort. Ein erhöhter Finanzierungsbedarf des Bundes hat die grundlegende Verbesserung der Governance zur Voraussetzung.“ Was halten Sie davon?

Hermann Parzinger: Sehr viel. Dass die Reform der SPK im Koalitionsvertrag benannt wird, macht den Stellenwert dieses Vorhabens auch für die künftige Regierung deutlich. Die Stiftung ist mitten im Reformprozess, er muss zu Ende geführt werden. Das geht nur mit dem Bund und den Ländern. Mich freut, dass der Finanzierungsmehrbedarf und die neue Governance angesprochen werden. Das sind die zentralen Themen.

Was ist in diesem Jahr konkret geschehen, um die Stiftung neu aufzustellen?

In diesem Jahr hat die Reformkommission, die aus Vertretern des Bundes und von vier Ländern besteht, in mehreren Sitzungen die Eckpunkte erarbeitet, die für uns entscheidend sind. Unser Stiftungsrat hat dem folgend beschlossen: Die Stiftung bleibt als Verbund erhalten, gleichzeitig gibt es eine stärkere Autonomie der Einrichtungen. Die Hauptverwaltung, die bislang beim Präsidenten angesiedelt ist, soll eine zentrale Serviceeinrichtung werden, die nicht über den Einrichtungen, sondern neben ihnen steht. Gerade die Frage von Zentralität und Dezentralität ist wichtig: Wieviel Entscheidungshoheit brauchen die Einrichtungen, um schneller und flexibler reagieren zu können, in der Personalverwaltung, in der Budgetverantwortung, im Liegenschaftsmanagement usw.? Ferner soll die Stiftung in Zukunft von einem Kollegialorgan geleitet werden – von einem Präsidium oder Vorstand, in dem neben dem Präsidenten und Vizepräsidenten auch Einrichtungsvertretungen mitwirken. Der ganze Prozess wird intensiv von einer rein intern besetzten Strategiekommission begleitet. Im nächsten Jahr muss es eine enge Taktung geben mit Entscheidungen, hinter die man dann auch nicht mehr zurück kann.

Die föderale Aufstellung der Stiftung ist in letzter Zeit häufiger infrage gestellt worden. Spielt das im Reformprozess eine Rolle?

Die Frage, inwieweit die Länder zusammen mit dem Bund in der Stiftung mitagieren, Mitträger sind und mitentscheiden, ist so alt wie die Stiftung selbst. Die Debatten in der Kulturministerkonferenz angesichts des Gutachtens des Wissenschaftsrats zeigten sehr deutlich, dass die Länder ihre Mitverantwortung weiterhin behalten wollen. Aber es gibt bei unseren Trägern natürlich auch die Bereitschaft zu Veränderungen. Einer der Eckpunkte, die unser Stiftungsrat im Juni beschlossen hat, bestand in der Anregung, über die eigene Zusammensetzung noch einmal nachzudenken. Es gibt die Überlegung, dass nicht alle Länder – auch wenn alle in der Trägerschaft bleiben – immer gleichzeitig im Stiftungsrat vertreten sein müssen, sondern in einem gewissen Zyklus rotieren könnten und man die übrigen Plätze im Stiftungsrat dann mit Persönlichkeiten aus Kultur, Wissenschaft und Zivilgesellschaft besetzt. Das ist ein Ansatz, der aus meiner Sicht interessant und zeitgemäß wäre. Natürlich würden Bund und Länder in allen finanziellen Fragen ein Vetorecht behalten. Aber das sind Fragen, die am Ende von der Politik entschieden werden müssen.

Dann müsste das Stiftungsgesetz geändert werden.

Ja. Wenn sich in der Zusammensetzung des Stiftungsrates und in der Finanzierungsstruktur etwas ändert, muss das von Bundestag, Bundesrat, wahrscheinlich auch von der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen werden. Ich denke aber, wenn sich Bund und Länder über die Richtung einig sind, sollte dieser Weg zügig zu gehen sein.

Wie lange wird das dauern?

Die Reform muss in der jetzt beginnenden Legislatur zu einem Ende gebracht werden. Aber noch einmal, wichtig ist, dass beide Seiten, Bund und Länder, an einem Strang ziehen, und ich sehe bei allen Beteiligten die Bereitschaft, Struktur und Finanzierung der Stiftung neu zu denken.

Der Knackpunkt bleibt das Geld. Als Sie kürzlich mit Max Hollein vom New Yorker Metropolitan Museum of Art in der Neuen Nationalgalerie sprachen, nannte er Budgetgrößen, von denen die Berliner Museen nur träumen können.

Ja und nein. Er sagte, er hätte eine Milliarde für die nächsten Jahre für Bauvorhaben. Wenn ich schaue, was wir bisher alles gebaut haben und in den kommenden Jahren noch bauen werden – bis die Museumsinsel einmal fertig ist oder das Kulturforum und andere Standorte, dazu das Humboldt Forum, sind wir in Größenordnungen von vielleicht fünf Milliarden. Das muss man sich einmal klarmachen. Das Commitment des Bundes kann sich hier auch im weltweiten Vergleich sehen lassen. Aber ein anderer Punkt macht das eigentliche Dilemma deutlich: Für die Digitalisierungsoffensive, die Max Hollein auf den Weg gebracht hat, hat er ein Digital Department mit 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die 19 Staatlichen Museen zu Berlin haben noch nicht einmal eine feste Stelle für die Betreuung ihrer Social Media-Kanäle. Wenn man weltweit präsent sein will, muss man im digitalen Bereich in die Offensive gehen. Da geht es um Außenwirkung. Hier gibt es einen riesigen Nachholbedarf.

Können Sie den finanziellen Mehrbedarf denn beziffern?

Das muss genau berechnet werden. Aber es dürfte schon ein substanzieller zweistelliger Millionenbetrag sein, der auf jeden Fall hinzukommen muss, damit die SPK effizienter wirken kann. Bund und Berlin haben in den letzten Jahren die finanziellen Mittel für die SPK jährlich erhöht, dafür sind wir außerordentlich dankbar, aber wir ziehen eine strukturelle Unterfinanzierung mit uns mit, wie auch der Wissenschaftsrat sehr deutlich gemacht hat. Und die Frage ist: Wenn es einen Zuwachs gibt, reicht er dann lediglich aus, um das angewachsene strukturelle Defizit zu beheben? Oder kann er die Stiftung auf ein neues Level heben? Entscheidend ist: Wie auch immer wir die interne Governance neu aufstellen, wenn es keinen substanziellen Zuwachs gibt, wird der Leuchtturm SPK nicht seine volle Strahlkraft entwickeln können.

Monika Grütters ist als Kulturstaatsministerin nur noch geschäftsführend im Amt. Wie würden Sie die Zusammenarbeit bilanzieren?

Die Jahre waren für uns sehr gut. Die großen Themen von Frau Grütters – das Humboldt Forum, das Museum des 20. Jahrhunderts – waren auch unsere zentralen Themen. Da hat sie sehr viel für uns bewirkt, da sind wir dankbar. Insofern blicken wir zufrieden auf diese Jahre zurück und sind gleichzeitig gespannt auf das, was folgt.

Das wird Claudia Roth sein. Konnten Sie schon Erfahrungen mit ihr sammeln? Welche Erwartungen haben Sie?

Ich kenne Claudia Roth, in den Ausschusssitzungen etwa war ihre Leidenschaft für Kunst und Kultur immer deutlich zu spüren. Ich bin überzeugt, dass sie sehr klar sieht, welche Kraft Kultur für den gesellschaftlichen Zusammenhalt entwickeln kann. Schon der Koalitionsvertrag unterstreicht die Förderung der Kultur in ihrer ganzen Breite und Vielfalt. Auch Leuchttürme der so genannten Hochkultur, wie die SPK mit ihren Einrichtungen, müssen und wollen vielen eine Stimme geben, neue Diskurse wagen, Museen zu Aushandlungsräumen machen, wie etwa im Humboldt Forum. Ich würde mir wünschen, diese Potentiale gemeinsam zu entwickeln. Das können spannende Jahre werden.

Kommen wir auf das Humboldt Forum zu sprechen. Es gab nicht zu überhörende Kritik an den Präsentationen der Staatlichen Museen. Was wird getan, um auf diese Kritik zu reagieren?

Es gab keineswegs nur Kritik. Die Ausstellungen müssen sich weiterentwickeln, das haben wir immer gesagt. Derzeit sind wir dabei, die Ostspange einzurichten, die im kommenden Sommer eröffnet werden soll. Natürlich betrachten wir die bisherigen Ausstellungbereiche immer auch kritisch. Die Beschriftungen sind manchmal zu klein, auch könnten manche Bereiche in ihrer Botschaft bisweilen noch klarer sein. Die Provenienzspur, die mit Aufstellern markiert wird, kann noch deutlicher hervortreten. Sehr positiv ist, dass die Objekte so stark im Vordergrund stehen, auch dass sehr viele Kunstwerke freigestellt sind. Das ist schon ein besonderes Angebot an die Besucherinnen und Besucher, nicht alles hinter Glasscheiben zu sehen. Wir haben von der Zusammenarbeit mit unseren Partnerinnen und Partnern aus den Herkunftsländern und Ursprungsgesellschaften im erheblichen Maße profitiert. Der chinesische Architekt Wang Shu hat einen ganzen Raum unglaublich eindrucksvoll gestaltet. Auch in der Ostspange wird es Räume geben, die die Handschrift kuratorischer Teams aus den Herkunftsländern tragen.

Werden Benin-Bronzen im Humboldt Forum zu sehen sein?

Es werden nur Benin-Bronzen im Humboldt Forum gezeigt werden, wenn wir dazu eine Einigung mit der nigerianischen Seite erzielt haben. Im Oktober waren Andreas Görgen, der Leiter der Abteilung Kultur und Kommunikation im Auswärtigen Amt, Barbara Plankensteiner vom Hamburger Museum am Rothenbaum – Kulturen und Künste der Welt und ich erneut zu Gesprächen in Nigeria. Dabei wurde ein Memorandum of Understanding unterzeichnet, das einerseits Rückgaben vorsieht, andererseits aber auch festhält, dass Benin-Bronzen auch künftig in deutschen Museen gezeigt werden können. Jetzt geht es darum, auszuformulieren, was das konkret bedeutet. Auf welcher rechtlichen Grundlage können wir künftig Kunst aus Benin im Humboldt Forum zeigen? Fest steht: Was auch immer wir zeigen werden, bedarf der Zustimmung der nigerianischen Seite. In der Ausstellung werden wir dabei auch den Prozess der Rückgabe erzählen, weil es ein untrennbarer Teil der Geschichte dieser Objekte ist. Ich glaube, dass es für die Besucherinnen und Besucher auch spannend sein wird zu sehen, wie wir uns die gemeinsame Arbeit in der Zukunft vorstellen und wie wir sie gestalten.

Was sind die drei größten Baustellen für die Stiftung im Jahr 2022?

Die größte ist die Reform, hier müssen jetzt die entscheidenden Schritte folgen. Am Ende des Jahres muss ganz klar sein, wie die Stiftung der Zukunft aussehen wird. Ferner wird das gesamte Humboldt Forum eröffnet werden, und ich würde mir wünschen, dass uns eine überzeugende Präsentation, gerade auch im Umgang mit dem schwierigen Erbe der Sammlungen aus kolonialen Kontexten gelingt. Im Hamburger Bahnhof und in der Neuen Nationalgalerie werden neue Leitungen die Verantwortung übernehmen, sie müssen die Schnittstelle vom 20. Jahrhundert zur Gegenwart produktiv machen, und mit dem Erhalt der Rieckhallen eröffnen sich neue Potentiale für die Kunststadt Berlin. Unter ihrem neuen Generaldirektor Achim Bonte ist die Staatsbibliothek gerade erst zu einem wichtigen Gestaltungsmotor in der Stiftung geworden, da fügt es sich gut, dass der Koalitionsvertrag Bibliotheken als so genannte dritte Orte stärken möchte. Die Themen Nachhaltigkeit und Diversität werden uns beschäftigen, dazu haben wir neue Initiativen auf den Weg gebracht. Fünf Arbeitsgruppen beschäftigen sich zum Beispiel mit dem Thema Nachhaltigkeit, die sich aus der Mitarbeiterschaft heraus gebildet haben. Gerade solche bottom-up Initiativen sind wichtig, um die Stiftung lebendig zu halten. Die digitale Transformation wird alle Arbeitsbereiche immer stärker verändern, von der Verwaltung bis hin zu digitalen Vermittlungsangeboten, wie zum Beispiel bei dem vom Bund geförderten Projekt Museum 4.0, bei dem unter der Federführung der SPK inzwischen 18 Museen aus ganz Deutschland beteiligt sind. In allen diesen Bereichen werden 2022 entscheidende Weichenstellungen erfolgen, gerade auch im Zusammenspiel mit den neuen politischen Verantwortlichen, und darauf freue ich mich.

Die Fragen stellte Felix Müller. Das Gespräch erschien zuerst in der Berliner Morgenpost vom 2. Dezember 2021.

Weiterführende Links

  • News „Entscheidung im Stiftungsrat: Konkrete Schritte der SPK-Reform beschlossen“ (29.06.2021)
  • News „SPK will bis 2035 klimaneutral werden“ (01.10.2021)
  • Interview mit Hermann Parzinger und Ulrike Lorenz zur Zukunft von Kultureinrichtungen
  • Dossier: Humboldt Forum
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